Mai-Kommentar im Informationsheft des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

Liebe Mitglieder,
werte Berufskolleginnen und -kollegen,

in den letzten Monaten ist die Bundesregierung nicht müde geworden, anzukündigen, dass man die Landwirte entlasten will. Wenig überraschend, aber umso ärgerlicher ist nun, dass die Bundesregierung das Gegenteil plant.

Das BMEL hat eine Diskussionsgrundlage für ein „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ vorgelegt, welches mehr Bürokratie, viele Wettbewerbsnachteile und für viele Betriebe existenzielle Einschnitte mit sich bringen soll. Die Inhalte waren wohl für die Umsetzung der „Sustainable Use Regulation“ (SUR) angedacht. Nachdem das Thema SUR auf EU-Ebene geplatzt ist, plant die Bundesregierung mal wieder einen nationalen Alleingang.

In der Diskussionsgrundlage wird unter anderem der Refugialflächenansatz vorgeschlagen. Das BMEL möchte „Anreize schaffen“, um „die Ausstattung der Agrarlandschaft mit Strukturelementen zu verbessern.“ Bereits im nächsten Satz wird klar, dass es keinesfalls Anreize sind, die man beabsichtigt: „Dafür arbeiten wir an einem Vorschlag, der die Anwendung bestimmter Pflanzenschutzmittel daran bindet, dass mindestens 10 Prozent Refugialflächen vorhanden sind.“ Das hat nichts mit Anreizen oder gar kooperativem Umweltschutz zu tun, das ist knallhart die Durchsetzung agrarpolitischer Ideen durch Ordnungsrecht.

Ebenso mal wieder ins Spiel gebracht wird eine neue Steuer auf Pflanzenschutzmittel. Das BMEL schreibt, man wolle prüfen, ob steuerliche Mehreinnahmen für bestimmte Zwecke verwendet werden könnten. Das ist nicht weniger als eine Frechheit. Eine Zweckbindung der Abgaben/Steuern für bestimmte Verwendungen in der Landwirtschaft ist nicht möglich, das wird in der Tierhaltung seit Jahren immer wieder diskutiert. Entweder weiß man das nicht, oder man weiß es und hat es trotzdem in das Papier geschrieben. Eine Abgabe oder Steuer auf den Einsatz von Pflan­zenschutzmitteln würde zur weiteren Verteuerung der landwirtschaftlichen Produktion in Deutschland führen. Im Vergleich wäre die Ware aus anderen Ländern noch günstiger, als sie heute schon oftmals ist, aufgrund der geringeren Standards.

Bei dem aktuellen Stand des „Zukunftsprogramm Pflanzenschutz“ würde es zum Ende des Anbaus mancher Kulturen führen und zu noch größerer Importabhängigkeit. Die unklaren Formulierungen zu Trink­wasser­schutz­gebieten können so verstanden werden, dass auf rund 2 Millionen Hektar ein generelles Verbot von Pflanzenschutzmitteln geplant ist. Dann reden wir definitiv davon, dass die Versorgung mit heimischen Erzeugnissen drastisch reduziert wird.

Nicht nachvollziehbar für einen Praktiker ist, dass technische Einsparmöglichkeiten im Pflanzenschutz kaum erwähnt werden. Spot-Spraying oder sensorbasierte mechanische Unkraut­bekämpfung kann definitiv Mittel einsparen. Wenn es dem BMEL tatsächlich darum ginge, dass weniger Pflanzenschutzmittel verwendet werden, müsste innovative Technik an erster Stelle stehen. Mehr Wirkstoffgruppen bei Insektiziden und Fungiziden, mehr Möglichkeiten für Beizen, moderne Sorten und eine flexiblere „gute fachliche Praxis“ könnten Reduktionen bewirken, passen jedoch nicht in das Weltbild der Verfasser.

In der Mai-Ausgabe des Informationsheftes sind zwei Beiträge, die in diesem Kontext relevant sind. Ein Beitrag greift das F.R.A.N.Z.-Projekt auf, das seit Jahren belegt, wie erfolgreich kooperative Maßnahmen im Umweltschutz sein können, nachweislich und ohne betrieblich ins Fleisch zu schneiden. Wenn das Ziel und der Weg transparent sind, kann man uns Landwirte für vieles gewinnen. In dem anderen Beitrag geht es um Materialien für Demonstrationen und wo diese von Landwirten online bestellt werden können.

Jedem sollte in den letzten Monaten klar geworden sein, dass die Landwirte aktuell an einem Punkt sind, an dem keine Akzeptanz für weitere Verbote da ist! Ganz besonders gilt das für die Fälle, in denen Deutschland bestehende EU-Vorgaben weiter verschärft, beispielsweise beim Pflanzenschutz. Wer den europäischen Rahmen fortwährend als unzureichend deklariert, um dann deutsche Sonderwege zu gehen, der schwächt unsere Unternehmen und steht der Idee einer gemeinsamen Agrarpolitik in Europa entgegen.

Sven Borchert
1.Vizepräsident

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