Oktober-Kommentar im Informationsheft des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.
Werte Landwirtinnen und Landwirte, werte Mitglieder,
2026 sind Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt. Für unser Bundesland ist zu konstatieren und Auftrag, dass in der amtierenden Deutschland-Koalition die gemeinsam vereinbarten Projekte des Koalitionsvertrages bis 2026 noch umzusetzen sind. Was davon noch gelingen wird, ist vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage des anstehenden Doppelhaushaltes 2025/26 zu bewerten. Überdies müssen die aktuellen Koalitionspartner möglicherweise noch in der laufenden Legislatur politische Beweglichkeit zeigen, den Koalitionsvertrag nicht stringent nach Parteilinie auslegen, um im Sinne des Ganzen positiv für das Land zu wirken und Wählbarkeit zu signalisieren. Denn was nach der Landtagswahl kommt, das weiß man einfach nicht. Wenn es eines in Sachsen-Anhalt braucht, dann politische Stabilität, die wirtschaftlichen Herausforderungen und der demographische Wandel erfordern das.
Mit dem Blick auf die jüngsten Landtagswahlergebnisse in Brandenburg, Sachsen und Thüringen: Wir haben dort einen Vorgeschmack auf das bekommen, was uns auch bevorstehen könnte. Das sind zunehmend schwierigere Regierungsbildungen und sehr unübliche Koalitionen für eine Mehrheitsfindung. Falls sich in den drei genannten Ländern, Stand Ende September, denn überhaupt mehrheitsfähige Regierungen finden. Als positiv zu bewerten ist da lediglich die hohe Wahlbeteiligung. Wie jedoch damit auf Dauer umgehen, wenn wir uns auf italienische oder niederländische Politikverhältnisse hinbewegen, bei denen auch mehr als drei Parteien miteinander koalieren müssen? Was braucht es für Beweglichkeit und Moderationsfähigkeiten bei politischen Führungspersonen in Mehrfachkoalitionen, ohne den Markenkern der eigenen Partei zu verlassen? Und wen kann man als möglichen Koalitionspartner nicht einbinden? Wie kann man dies so dem Wähler kommunizieren, weil ein scheinbarer Partner inhaltlich und personell nicht anschluss- und mehrheitsfähig ist? Eine saubere politische Kommunikation wird die zentrale Aufgabe sein, der sich Parteispitzen verstärkt und zügig zu stellen haben.
Wahlergebnisse haben viel mit Stimmung zu tun und mit dem, was die Wähler umtreibt und sie bestimmte Wahlentscheidungen treffen lässt. Nur was ist es denn wirklich, was die Wähler umtreibt? Ist es die reale persönliche Lage oder eine gefühlte Lage, die durch permanente mediale Beschallung entsteht und sich somit ins dauerhafte Bewusstsein einbrennt? Vor nicht allzu langer Zeit hatte die Klimapolitik stärkere Wahlentscheidungen zugunsten von B‘90/DieGrünen verursacht, in den aktuellen Landtagswahlen ist Migration das bestimmende Thema, mit den starken Ergebnissen für die AfD. Es ist somit nicht abzustreiten, dass eine mediale Kakophonie bis zur Übertreibung einzelner Themen auf allen verfügbaren Kanälen Wahlergebnisse stark beeinflusst. An diesen beiden Beispielen ist gut festzumachen, dass es nicht unbedingt die moderaten Themen sind, die zu guten Wahlergebnissen führen.
Aktuelle Wahlentscheidungen sind ein Spiegelbild der seit längerem zu beobachtenden Polarisierung und Zersplitterung in unserer Gesellschaft. Abweichende Meinungen einzuordnen, sie überhaupt zu tolerieren und dem Gegenüber zuzuhören – diese Fähigkeiten machen einen starken politischen Diskurs aus. Damit gibt man noch lange nicht seinen eigenen Standpunkt auf. Den Diskurs sollten wir dringend bewahren, sonst gewinnt künftig nur noch derjenige Wahlen, der am lautesten schreit.
In der praktischen Tagespolitik auf Landesebene wird es jedoch, abseits schriller Töne im Wahlkampf bis hin zu strukturierter Desinformation von Wählern, immer darauf ankommen, welche Partei- und Wahlprogramme künftig bei Regierungsbeteiligung umgesetzt werden sollen. Dass es bei einer austarierten Wahlentscheidung besonders um diese gehen sollte, wird anscheinend öfter ausgeblendet. Als mündige Wähler sollten wir uns politisch noch besser informieren und unter anderem die Parteiprogramme in ihren realen Auswirkungen auf die eigene Lebenssphäre bewerten. Später darf man nicht überrascht sein, falls Parteien ihr Parteiprogramm tatsächlich Realität werden lassen. Der strategisch und geschickt angelegte Marsch durch die Institutionen der 1968er-Generation hat das schon mal gezeigt, denn die Folgen erleben wir heute im Umgang mit der Wirtschaft. Auch in der Überfokussierung auf Umweltthemen ist eine Ursache für die heutigen Wahlergebnisse zu finden. Hoffen wir, dass das Pendel nicht komplett zurückschlägt und wir auf einem mehrheitsfähigen Weg der Mitte bleiben. An dem haben wir alle zu arbeiten.
Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer desBauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.
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