Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,
Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Kommentars befand sich die Eskalation rund um den Ukraine-Russland Konflikt in einer wahrscheinlich sehr entscheidenden Phase. Die Diplomatie zwischen Washington, Moskau und den europäischen Hauptstädten läuft seit Wochen auf Hochtouren, um eine weitergehende kriegerische Auseinandersetzung in Europa zu verhindern. Parallel führt Russland weitere Militärmanöver aus, sammelt umfangreiche Truppen an der Grenze zur Ukraine und darüber hinaus spricht der Machthaber in Belarus von der Neustationierung von Atomwaffen in seinem Land. Wir befinden uns in einer Situation, die viele von uns überwunden geglaubt haben, es ist wie eine Art Flashback.
Für die Generation, die ab 1990 geboren wurde, ist diese Situation eine, die sie maximal aus Geschichtsbüchern und Erzählungen ihrer Eltern kennen könnten. Nach dem Fallen des Eisernen Vorhangs, dem Zusammenbruch der Staatswirtschaft und dem Ende der Sowjetunion 1991 folgte die Gründung selbständiger Staaten auf dem ehemaligen Territorium der UdSSR. Im Weiteren erfolgte die Aufnahme eines Teils dieser neuen Staaten und der ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes und des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe in die Europäische Union und in die NATO, weil diese Staaten das wollten. Über lange Jahre hatten wir die Wahrnehmung, dass es mit Frieden, Sicherheit und wirtschaftlich positiver Entwicklung und Kooperation in Europa über die ehemaligen Grenzen des Kalten Krieges hinweg stetig vorangehen wird.
Was leider nie funktioniert hat, war Russland stärker einzubinden, in diese gewachsene, politische, europäische Familie. Ohne die diffizilen politischen Zusammenhänge zu kennen und schon gar nicht bewerten zu können, ist das an sich der bedauerlichste Fakt. Schon seit längerem war zu merken, dass sich das politische Verhältnis mit Russland eher weiter auseinanderentwickelt. Nicht nur aufgrund der engen wirtschaftlichen Verflechtungen Deutschlands mit Russland im Energiesektor und der über Jahrhunderte währenden Beziehungen über alle katastrophalen Konflikte und Kriege hinweg, muss man gerade mit den Erfahrungen der Vergangenheit ein klares Interesse an gegenseitig guten politischen Beziehungen in Europa haben. Was nicht geht, sind kriegerische Handlungen und die mögliche Verschiebung von Ländergrenzen, und das muss dann auch Russland deutlich und nachdrücklich klargemacht werden.
Um druckvoll agieren zu können, muss man sich als starker Nationalstaat aber auch in einer Position der Stärke befinden und sich vor allem immer auf alle möglichen Unwägbarkeiten vorbereiten. Ähnlich einem widerstandsfähigen Unternehmen muss der Staat sich in einer resilienten und unabhängigen Situation befinden. Er muss vor allem offensichtliche Fehlentscheidungen diskutieren und diese wenn nötig auch revidieren können. Unternehmer und Manager müssen das tagtäglich machen und sich Kompromissen hingeben.
Dass sich die Bundesrepublik in einer Lage der Stärke befindet, darf angezweifelt werden. Die vielen guten Jahre des Friedens inklusive wirtschaftlich überwiegend positiver Entwicklung in Europa haben unser Land und auch viele Bürger träge, satt und gedanklich unbeweglich gemacht. Sie haben zu einer Vernachlässigung unserer Verteidigungsstrukturen geführt, wir haben eine Energiewende angeschoben, die zuerst grundlastfähige eigene Energieträger abschaltet, ohne ausreichend ebensolchen Ersatz geschaffen zu haben. Wir gehen sogar so weit, dass wir unsere eigene Versorgung mit Nahrungsmitteln aufs Spiel setzen, weil uns ständig neue Gesetze und Belastungen wichtiger sind als die Zukunft von Betrieben.
Politische Selbstgerechtheit und moralische Überheblichkeit sind die Essenzen, die zu politischem Verdruss bei denen führen können, die diesen Staat tagtäglich wirtschaftlich am Laufen halten. Es ist stets schwierig Fehler einzugestehen, zumal in politischen Abläufen. Das ist aber die Grundlage staatspolitisch verantwortlichen Verhaltens im Sinne des eigenen Landes. Ein Festhalten an sichtbar falschen Entscheidungen, weil laute Minderheiten medialen Druck produzieren, zeugt von politischem Starrsinn und nicht von Führungsverantwortung für das gesamte Land, die eine Regierung nun mal hat.
Aus dieser europäischen Krisensituation müssen wir zügig lernen unser politisches Handeln und Koordinatensystem nachzujustieren und dass sich diese Republik wieder ihren Basics und vor allem allen Bürgern widmen muss. Das erfordert nicht nur Dialog, sondern vor allem für alle tragbare Kompromisse. Mit dem Kopf durch die Wand geht es nicht, das wäre politischer Sandkasten.
Ihr
Marcus Rothbart
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