Mai-Kommentar im Informationsheft

Werte Landwirtinnen und Landwirte, werte Mitglieder,

just in diesen Tagen sind wir auf der Zielschleife der Bildung einer neuen Bundesregierung. Das Koalitionspapier mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ liegt seit einigen Wochen vor, die Parteigremien von CDU und CSU haben diesem zugestimmt und ihre künftigen Ministerinnen und Minister benannt. Die SPD wird in den letzten Apriltagen mit ihrem Mitgliederentscheid voraussichtlich auch zustimmen, wenngleich die Jusos reflexartig und vollkommen erwartbar Widerstand und Ablehnung gegen einen wirtschaftsfreundlichen Kurs signalisiert haben. Erst nach der Zustimmung der SPD werden auch deren Minister offiziell bekannt. Wenn das alles klappt, heißt der neue Kanzler ab dem 6. Mai 2025 Friedrich Merz.

Bis dahin war es ein anstrengender und auch mühsamer Weg zweier Partner, die als einzige realistische Koalition nicht das erste Mal in den letzten Jahrzehnten zusammenkommen. In Anbetracht der gesamtgesellschaftlichen und weltpolitischen Herausforderungen ist das keine Liebesheirat, sondern eine an den praktischen Bedürfnissen und Anforderungen der Bundesrepublik ausgerichtete Partnerschaft. Erwartungsgemäß ist in den Tagesmedien vielfach Kritik am 146-seitigen Koalitionsvertrag aufgekommen. Inhaltlich gibt es aus jeder Perspektive und Sichtweise der Betroffenheit Licht und Schatten in der Bewertung der Absichten im Koalitionsvertrag – das haben wir bei jedem politischen Vertragswerk.

Es hat leider nicht nur den Anschein, dass diese neue Koalition schon wieder in Bausch und Bogen klein geschrieben wird, bevor sie die Arbeit überhaupt aufgenommen hat. Ähnlich geht das in vielen tagtäglichen Diskussionen weiter, die latente deutsche Unzufriedenheit bricht sich erfolgreich Bahn. Wir wollen halt immer alles besser und möglichst perfekt machen. Nur von Nörgeln auf der Straße ist noch nichts besser geworden und es täte wahrlich gut, wenn mehr Bürger reflektieren würden, dass es immer Kompromissen bedarf, um eine Regierung zu bilden und das inhaltliche Fundament belastbar miteinander zu vereinbaren. Dazu gehört ebenso anzuerkennen, dass der größere Partner einer Koalition nicht in der Lage ist, dem kleineren Partner seine eigene Politik aufzuzwingen. Diese Erwartungshaltung auch im eigenen Berufsstand konnte man in den vergangenen Wochen vielfach verfolgen und bestaunen.

Es mag den Eindruck erwecken, dass die SPD inhaltlich besser vorbereitet aufgetreten ist und die Gesamtergebnisse bei der Verteilung der Ministerien dem Wahlverlierer anteilig mehr zugestehen als dem eigentlichen Wahlsieger. Wir kennen das aber aus unseren Dreierkoalitionen im Land – der Partner, der für eine stabile parlamentarische Mehrheit gebraucht wird, kann sich seine Zustimmung teuer abkaufen lassen, zumal wenn er strategisch gut aufgestellt ist und den Preis hochtreibt.

Lasst diese neue Bundesregierung trotzdem erstmal anfangen und ins Wirken kommen, mag man nicht nur einmal ausrufen. Zusätzlich hat das Portfolio der Minister aus der Union den Anschein, dass man mehr den Experten vertraut als dem reinen politischen Regionalproporz. Diese Maßnahme kann eine vertrauensbildende sein. Daher: Die ersten 100 Tage in neuer Verantwortung muss man jedem geben.
Ein nicht zu unterschätzendes Momentum einer künftigen und hoffentlich überwiegend erfolgreichen Regierungsarbeit wird sich im Bundesrat entscheiden. Im Gegensatz zur letzten schwarz-roten Koalition haben sich Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat verändert und speziell im Agrarbereich zugunsten der CDU verschoben. Die grüne Hegemonie im Bundesrat der letzten Jahre, an der mehrheitsfähige praktische und tägliche Agrarpolitik viel zu häufig abgeprallt ist, hat sich durch Wahlergebnisse auf Länderebene abgeschwächt. Hierin liegt eine Chance der Umsetzung des Koalitionsvertrages und ebenso darin, dass es Passagen und Formulierungen gibt, die Gestaltungsspielräume lassen. Diese Spielräume müssen strategisch genutzt werden, im Sinne der Mehrheit der wirtschaftenden Betriebe. Das ist aus heutiger Sicht allemal besser als die zementierten Formulierungen des alten Ampel-Koalitionsvertrages.

Die Zeiten haben sich gewandelt, das muss den Koalitionären bewusst sein. Im weltpolitischen Krisenmodus braucht es nun Anpacken, Zulassen von wirtschaftlicher Aktivität, Respekt vor dem Eigentum, Rückbau der Bürokratie und Erwirtschaften von Ertrag und Einkommen vor dem Verteilen von Wohltaten. Daran sollen sie gemessen werden.

 

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer
des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

 

Blick ins Heft: