GAP ab 2028: „Ein Schlag ins Gesicht“

Gemeinsame Pressemitteilung der ostdeutschen Bauernverbände zu den vorgestellten EU-Plänen zum Mehrjährigen Finanzrahmen.

„Ein Schlag ins Gesicht“ - Bauernverbände der ostdeutschen Bundesländer kritisieren EU-Pläne zum Mehrjährigen Finanzrahmen scharf

EU-Vorschläge befeuern Betriebsaufgaben, zerstören Arbeitsplätze, gefährden die Ernährungssicherheit und zerstören Vertrauen in die Politik.

„Das ist nicht nur eine klare Absage an eine zukünftige Gemeinsame Europäische Agrarpolitik, es ist eine Kampfansage an ein geeintes Europa – ein fatales Signal“, sagt Karsten Trunk, Präsident des Bauernverbandes MV in Bezug auf die Vorschläge der EU-Kommission zum Mehrjährigen Finanzrahmen und der GAP. Wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heute bekannt gab, soll es ab 2028 kein eigenständiges Agrarbudget wie in der bisherigen Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik (GAP) mehr geben. Stattdessen sollen die Mittel in einem großen europäischen Fonds aufgehen, der neben der Landwirtschaft auch andere Felder wie Verteidigungsausgaben oder Emissionshandel abdeckt.

Neben vielen neuen Ideen soll künftig nur noch der Landwirtschaftsbetrieb Fördermittel erhalten, der „bedürftig ist.“ Sven Borchert, Vizepräsident des Bauernverbands Sachsen-Anhalt, hält das für grundlegend falsch: „Die GAP ist keine Sozialpolitik, sondern ein Ausgleich für Wettbewerbsnachteile. Dass die Kommission willkürlich Kriterien festsetzt, wer bedürftig ist und wer nicht, gleicht einem Schildbürgerstreich: einerseits die Betriebe an die finanzielle Belastungsgrenze treiben und dann gönnerhaft festlegen, wer in der Gunst der Kommission steht und wer nicht. So zerstört die Kommission unsere Branche.“ 

Von einem „Schlag ins Gesicht“ spricht Thomas Thiele vom Sächsischen Landesbauernverband mit Blick auf die Begrenzung und Kürzung von Fördermitteln ab bestimmt Höhen: „Es ist völlig unverständlich, dass die Europäische Kommission, die Professionalisierung des Berufsstandes so hart angreift. Nirgendwo mussten nach der deutschen Einheit Betriebe so kraftvoll und mühsam aufgebaut wie bei uns in Ostdeutschland. Nun macht uns die Kommission einen Strich durch die Rechnung und streicht Fördermittel, die nach richtiger Berechnung bei den Betrieben ankommen müsste.“ 

„Die ländlichen Räume sind unser Rückgrat. Mit der Kürzung, Umgestaltung und Streichung schwächt die Kommission bewusst und mit Kalkül diese Bereiche. Es ist eine weitere Abwertung der ländlichen Bevölkerung gegenüber der Stadtbevölkerung. Die Kommission bringt klar zu Ausdruck: Wir wollen euch nicht die Rahmenbedingungen schaffen, die nötig sind, um den ländlichen Raum konstant weiterzuentwickeln. Die Landwirtschaft ist Teil der ländlichen Räume und nicht zuletzt auf deren Attraktivität für Arbeitskräfte angewiesen. Daher muss die Kommission ihre Vorschläge zurück zum aktuellen System verändern, da dieses berechenbar und planbar ist,“ findet der Präsident des Thüringer Bauernverbands, Dr. Klaus Wagner.

„Die Ernährungssicherung für unsere Menschen soll mit den Vorschlägen künftig nur noch eine Randnotiz sein. Mit der Abkehr von einer solide gestalteten Betriebsförderung befürchte ich den Verlust der flächendeckenden Landwirtschaft und zahlreicher Arbeitsplätze in den Dörfern. Deutschland ist im Vergleich mit anderen Regionen in der Welt noch ein Gunststandort für die Lebensmittelproduktion. Es ist unerklärlich, warum die Kommission dem Hunger jetzt Vorschub leisten will und es ihr nicht um die Unterstützung heimischer Landwirtschaftsbetriebe geht. Wir wollen eine GAP, die uns auf unserem Weg unterstützt und nicht den Boden unter Füßen wegzieht,“ warnt LBV Brandenburg Präsident Henrik Wendorff.

Wir alle wollen sichere, gesunde und nachhaltige Lebensmittel von hoher Qualität. Wir wollen und wir brauchen gerade in diesen unsicheren Zeiten eine sichere und strategisch aufgestellte Lebensmittelversorgung in der EU. Damit die Landwirtinnen und Landwirte das leisten können, brauchen sie ausreichende Mittel aus einem separaten EU-Agrarfonds, Direktzahlungen aus der ersten Säule ohne Kappung und Degression und eine starke Honorierung von Agrarumwelt- und Klimaleistungen und Förderung des ländlichen Raums. „Wir brauchen eine gemeinsame europäische Agrarpolitik, die ihrem Namen gerecht wird!“, so die Landesbauernverbände.

 

Präsident Olaf Feuerborn
Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V.

Präsident Torsten Krawczyk
Sächsischer Landesbauernverband e.V.

Präsident Karsten Trunk
Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Präsident Henrik Wendorff
Landesbauernverband Brandenburg e.V.

Präsident Dr. Klaus Wagner
Thüringer Bauernverband e.V.

 

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Sonder-Agrarministerkonferenz zur GAP

Unter Vorsitz von Peter Hauk MdL (Baden-Württemberg) haben sich die Agrarministerinnen und -minister des Bundes und der Länder in Berlin zur Sonder-Agrarministerkonferenz getroffen. Anlass waren der Amtsantritt von Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer sowie die von der EU-Kommission vorgelegten Vorschläge zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2028. Die GAP soll angesichts globaler Krisen, Klimawandel und Strukturveränderungen weiterentwickelt werden – mit dem Ziel, sie effizienter, nachhaltiger und praxisnäher zu gestalten.

Die Agrarminister haben sich auf eine Resolution zur GAP ab 2028 geeinigt. Diese fordert unter anderem ein eigenständiges und gut ausgestattetes GAP-Budget im kommenden EU-Finanzrahmen, eine einkommenswirksame Honorierung agrarischer Umweltleistungen sowie eine deutliche Vereinfachung der Regelungen für Betriebe und Verwaltung. Dies stimmt mit zentralen Forderungen des Deutschen Bauernverbandes überein, wie sie u.a. auf dem Deutschen Bauerntag im Juni formuliert worden sind.

Die vollständige Resolution finden Sie unter: https://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mlr/intern/dateien/PDFs/Landwirtschaft/2025_07_sonder-amk-TOP2_Resolutionspapier.pdf

Juli-Kommentar im Informationsheft

Werte Mitglieder,
werte Leserinnen und Leser,

der Sommer ist nun in vollem Gange und für die Landwirtschaft steht in Kürze auf dem Feld die Marktfruchternte an. Es wird sich, nach einem überwiegend sehr trocknen Frühjahr, erst noch zeigen, was all die kostenintensive Vorarbeit zum Hinstellen einer Ernte am Ende wirklich wert sein wird. Abgerechnet wird immer am Ende. Gleichzeitig merken wir alle, dass die Kostensituation sich nicht wieder auf ehemals deutlich niedrigeren Ständen einpegeln wird und auf der Einnahmenseite nicht viel Phantasie nach oben besteht. Wer zu besseren Marktphasen Teile der Ernte kontraktiert hat, der hat sich damit eventuell etwas finanzielle Luft verschafft und im Nachhinein richtig gehandelt. Jedes Handeln bei Kontrakten ist stets ein Handeln in Unsicherheit, nur nichts abschließen und warten auf eventuell noch bessere Preise lässt auch betriebliche Chancen liegen. Niemand hat alle Informationen der Welt, deshalb wird es kaum den idealen Zeitpunkt für den Verkauf der Ernte geben.

Unabhängig der volatilen Preissituationen an den landwirtschaftlichen Börsen muss festgestellt werden, dass es zunehmend die sichtbaren Ertragsverluste im Laufe der Vegetationsdauer auf dem Feld sind, die den Betrieben in der Planung erheblich zu schaffen machen. Und die durchaus auch vorsichtig werden lassen, wie viel Anteil einer Ernte denn vorher kontraktiert werden sollte und überhaupt kann. Basierend auch auf einer Pflanzenschutzmittelverfügbarkeit, die in der notwendigen Breite und Vielfältigkeit nicht mehr adäquat ausreicht, um Schäden an Kulturen zu reduzieren und damit physischen und monetären Ertrag zu sichern, steigt die Planungsunsicherheit. Die Landwirtschaft könnte mit den steigenden Wetter- und Klimaherausforderungen auch wirtschaftlich deutlich besser umgehen, wenn ein umfänglicher Instrumentenkasten vorhanden wäre und nicht nur immer weiter eingeschränkt würde.

Es sind zudem, um nur das aktuelle Paradebeispiel Schilfglasflügelzikade zu benennen, diese Ertragsverluste nicht lediglich das singuläre Problem der praktischen Landwirtschaft, sondern sie sind, wenn wir keine tragfähigen Lösungen bekommen, diese ebenso ein Problem der Gesamtgesellschaft. Massive Schäden an Kartoffeln, an Zuckerrüben und an Sonderkulturen sind nicht nur ein wirtschaftliches Problem des einzelnen Anbauers, sondern gleichwohl der nachfolgenden Verarbeitungslinie, der die Ware fehlt. Schlussendlich sinkt das regional erzeugte Angebot für den Konsumenten vor Ort. Am Ende zahlen wir also alle drauf, wenn wir uns immer weiter beschränken und unserer Handlungsmöglichkeiten für sichere Ernten hier vor Ort berauben. Globale Verantwortung beginnt mit dem Lösen von Aufgaben vor der eigenen Haustür. Eine politische Kernaufgabe der unmittelbaren Zukunft muss es daher sein, die Sicherung der regionalen Erzeugung in all ihren Facetten ernst zu nehmen.

Selbstkritisch als Branche müssen wir schon festhalten, dass wir bei Verlusten durch fehlenden Pflanzenschutz in Feld und Flur bisher sicher zu emotionslos und zahlenfixiert nach außen kommunizieren. In einer Welt, in der Flächenverbrauch in variablen Fußballfeldern gemessen wird und der Hektar als feste Bezugsgröße verschwindet, da können sich Unbeteiligte Ernteverluste von 30 oder 50 oder 70% nicht mehr vorstellen in ihrer Wucht und Dramatik. Es sind die dazugehörenden Bilder von durch Schädlinge in Mitleidenschaft gezogenen landwirtschaftlichen Kulturen, die trotz profihaftem Verhalten und Einsatz von Technik und Knowhow von Landwirten auf dem Feld nicht vollständig bis zur Ernte kommen. Diese Schadbilder müssen offener kommuniziert werden, auch wenn uns selbst Bilder von Hochglanzernten viel mehr Freude bereiten. Breitenwirkung in die Gesamtgesellschaft bekommen wir nicht nur, indem wir über Probleme abstrakt unter Nutzung der eigenen Fachtermini sprechen.

Aus dem eben Benannten wird deutlich, dass wir als landwirtschaftliche Branche weitere strategische Verbündete mehr als elementar brauchen, um druckvoll Ziele im Spiel mit Politik und Verwaltung zu erreichen. Für das Einbinden neuer Verbündeter außerhalb der eigenen Bubble werden wir viel mehr Arbeit und Engagement als je zuvor aufbringen müssen. Denn es bringt uns wenig voran, wenn Landwirte nur mit Landwirten kommunizieren und bestenfalls sich gegenseitig bestätigen in der Annahme, dass die Bedingungen nicht optimal sind. Es ist auch nicht wirklich zielführend, wenn sich zu einem Sachverhalt mehrere Organisationen melden und stets was anderes gegenüber Politik und Medien kundtun, weil man sich vorher nicht einig geworden ist oder aus bewährter Haltung immer konträr unterwegs ist. Abgestimmtes Verhalten, Vertrauen, Vertrauen und nochmal Vertrauen, dass es der andere nicht schlecht mit einem selbst meint und auch umgekehrt nicht, sowie ein hoher Impact in die Sache sind die Grundlagen, damit mehr politische Erfolge erzielt und es besser werden kann für die eigene Branche. Das erfordert von den Engagierten viel Abstraktionsvermögen weg von der Denke nur an den eigenen Betrieb und vor allem den Glauben an politische Wirksamkeit. Und genau für diese Aufgaben braucht es starke Organisationen, die dem Einzelnen eine Heimat geben. Alleine kommt da draußen niemand durch, und mag er sich derzeit noch so stark fühlen oder hoffen, dass sich schon wer für einen selbst kümmert.

 

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer des
Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

 

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Juni-Kommentar im Informationsheft

Werte Verbandsmitglieder,
liebe Bäuerinnen und Bauern,

die gesellschaftliche Diskussion über Landwirtschaft findet seit Jahren mit hoher Intensität statt. Dabei wird vielfach über Landwirtschaft gesprochen, wenn auch nicht immer mit ihr.

Umso bedeutender ist es, dass es innerhalb unseres Berufsstandes zahlreiche Initiativen gibt, die den direkten Austausch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen ermöglichen. Hoffeste, Schülerbesuche und Schulgärten, Projektwochen und Vorträge auf öffentlichen Veranstaltungen schaffen Kontaktpunkte zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. In Sachsen-Anhalt nehmen jährlich mehrere tausend Schülerinnen und Schüler an Betriebsbesichtigungen teil. Gleichzeitig öffnen viele Betriebe ihre Höfe für interessierte Gäste.

Diese Formate tragen dazu bei, komplexe Produktionsprozesse transparent zu machen und Vorurteile abzubauen. Der Bauernverband unterstützt diese Aktivitäten, weil sie für eine sachgerechte, persönliche Meinungsbildung sehr wichtig sind. Das Interesse an der Herkunft von Lebensmitteln und an Fragen des Tierwohls, des Pflanzenschutzes oder der Umweltwirkungen landwirtschaftlicher Praxis ist groß. In vielen Fällen fehlen jedoch grundlegende Kenntnisse über die Produktionsbedingungen. Die mediale Darstellung ist dabei häufig verkürzt oder einseitig. Persönliche Begegnungen und fachlich fundierte Informationen ermöglichen eine differenzierte Auseinandersetzung. Sie bieten zudem die Möglichkeit, Fragen unmittelbar auf betrieblicher Ebene zu beantworten und Zusammenhänge einzuordnen.
Für die Branche insgesamt ist dieser Austausch ein strategischer Faktor. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft wirkt sich mittelbar auf politische Entscheidungen, Förderinstrumente und ordnungsrechtliche Vorgaben aus. Fehlt das Verständnis für betriebliche Abläufe und ökonomische Zwänge, steigt das Risiko, dass Regelungen an der Praxis vorbeigehen. Dies zeigt sich unter anderem in Debatten zu Flächenstilllegung, Düngeverordnung oder zur Ausgestaltung von Tierhaltungsstandards. Daher ist es notwendig, dass der Beruf auch außerhalb fachpolitischer Formate präsent bleibt.

Die Bereitschaft zum Dialog ist in weiten Teilen des Berufsstandes vorhanden. Was fehlt, sind oftmals die strukturellen und personellen Voraussetzungen, um diesen Dialog systematisch auszubauen. Bildungsangebote, Dialogplattformen und Unterstützungsformate für Öffentlichkeitsarbeit müssen auf Landes- und Bundesebene verstetigt und ausgebaut werden. Eine wirksame Verbraucherbildung beginnt nicht erst im Supermarkt, sondern muss bereits in der Schule und im direkten Kontakt mit der Praxis erfolgen. Der Bauernverband bringt sich dazu in verschiedenen landesweiten Programmen aktiv ein und wird diese Arbeit weiterführen.
Der Erfolg dieser Arbeit lässt sich mit Zahlen belegen. Im Jahr 2024 haben in Sachsen-Anhalt 490 junge Menschen eine Ausbildung in einem der Grünen Berufe begonnen. Die Zahl der Auszubildenden liegt deutlich über dem recht konstanten Niveau der Vorjahre und zeigt ein wachsendes Interesse. Damit Kinder und Jugendliche sich für die Landwirtschaft begeistern, brauchen sie Kontakt zur Branche und den Betrieben. Wo das nicht über die Familie stattfindet, kann das meist nur über Hoftage oder ähnliche Aktionen passieren. Aber diese jungen Menschen werden vielleicht einmal Auszubildende und Mitarbeiter. Oder sie gehen einen anderen Weg, haben aber trotzdem einen echten und ehrlichen Bezug zur Landwirtschaft.

Eine offene Landwirtschaft lebt vom Gespräch mit der Gesellschaft. Sie lebt auch davon, dass sie sich erklärt, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Für den Berufsstand bedeutet das eine zusätzliche Herausforderung. Zugleich liegt darin eine Chance, die eigene Arbeit verständlicher zu machen – auch mit Blick auf zukünftige Generationen.

 

Olaf Feuerborn
Präsident des
Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

 

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Mai-Kommentar im Informationsheft

Werte Landwirtinnen und Landwirte, werte Mitglieder,

just in diesen Tagen sind wir auf der Zielschleife der Bildung einer neuen Bundesregierung. Das Koalitionspapier mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ liegt seit einigen Wochen vor, die Parteigremien von CDU und CSU haben diesem zugestimmt und ihre künftigen Ministerinnen und Minister benannt. Die SPD wird in den letzten Apriltagen mit ihrem Mitgliederentscheid voraussichtlich auch zustimmen, wenngleich die Jusos reflexartig und vollkommen erwartbar Widerstand und Ablehnung gegen einen wirtschaftsfreundlichen Kurs signalisiert haben. Erst nach der Zustimmung der SPD werden auch deren Minister offiziell bekannt. Wenn das alles klappt, heißt der neue Kanzler ab dem 6. Mai 2025 Friedrich Merz.

Bis dahin war es ein anstrengender und auch mühsamer Weg zweier Partner, die als einzige realistische Koalition nicht das erste Mal in den letzten Jahrzehnten zusammenkommen. In Anbetracht der gesamtgesellschaftlichen und weltpolitischen Herausforderungen ist das keine Liebesheirat, sondern eine an den praktischen Bedürfnissen und Anforderungen der Bundesrepublik ausgerichtete Partnerschaft. Erwartungsgemäß ist in den Tagesmedien vielfach Kritik am 146-seitigen Koalitionsvertrag aufgekommen. Inhaltlich gibt es aus jeder Perspektive und Sichtweise der Betroffenheit Licht und Schatten in der Bewertung der Absichten im Koalitionsvertrag – das haben wir bei jedem politischen Vertragswerk.

Es hat leider nicht nur den Anschein, dass diese neue Koalition schon wieder in Bausch und Bogen klein geschrieben wird, bevor sie die Arbeit überhaupt aufgenommen hat. Ähnlich geht das in vielen tagtäglichen Diskussionen weiter, die latente deutsche Unzufriedenheit bricht sich erfolgreich Bahn. Wir wollen halt immer alles besser und möglichst perfekt machen. Nur von Nörgeln auf der Straße ist noch nichts besser geworden und es täte wahrlich gut, wenn mehr Bürger reflektieren würden, dass es immer Kompromissen bedarf, um eine Regierung zu bilden und das inhaltliche Fundament belastbar miteinander zu vereinbaren. Dazu gehört ebenso anzuerkennen, dass der größere Partner einer Koalition nicht in der Lage ist, dem kleineren Partner seine eigene Politik aufzuzwingen. Diese Erwartungshaltung auch im eigenen Berufsstand konnte man in den vergangenen Wochen vielfach verfolgen und bestaunen.

Es mag den Eindruck erwecken, dass die SPD inhaltlich besser vorbereitet aufgetreten ist und die Gesamtergebnisse bei der Verteilung der Ministerien dem Wahlverlierer anteilig mehr zugestehen als dem eigentlichen Wahlsieger. Wir kennen das aber aus unseren Dreierkoalitionen im Land – der Partner, der für eine stabile parlamentarische Mehrheit gebraucht wird, kann sich seine Zustimmung teuer abkaufen lassen, zumal wenn er strategisch gut aufgestellt ist und den Preis hochtreibt.

Lasst diese neue Bundesregierung trotzdem erstmal anfangen und ins Wirken kommen, mag man nicht nur einmal ausrufen. Zusätzlich hat das Portfolio der Minister aus der Union den Anschein, dass man mehr den Experten vertraut als dem reinen politischen Regionalproporz. Diese Maßnahme kann eine vertrauensbildende sein. Daher: Die ersten 100 Tage in neuer Verantwortung muss man jedem geben.
Ein nicht zu unterschätzendes Momentum einer künftigen und hoffentlich überwiegend erfolgreichen Regierungsarbeit wird sich im Bundesrat entscheiden. Im Gegensatz zur letzten schwarz-roten Koalition haben sich Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat verändert und speziell im Agrarbereich zugunsten der CDU verschoben. Die grüne Hegemonie im Bundesrat der letzten Jahre, an der mehrheitsfähige praktische und tägliche Agrarpolitik viel zu häufig abgeprallt ist, hat sich durch Wahlergebnisse auf Länderebene abgeschwächt. Hierin liegt eine Chance der Umsetzung des Koalitionsvertrages und ebenso darin, dass es Passagen und Formulierungen gibt, die Gestaltungsspielräume lassen. Diese Spielräume müssen strategisch genutzt werden, im Sinne der Mehrheit der wirtschaftenden Betriebe. Das ist aus heutiger Sicht allemal besser als die zementierten Formulierungen des alten Ampel-Koalitionsvertrages.

Die Zeiten haben sich gewandelt, das muss den Koalitionären bewusst sein. Im weltpolitischen Krisenmodus braucht es nun Anpacken, Zulassen von wirtschaftlicher Aktivität, Respekt vor dem Eigentum, Rückbau der Bürokratie und Erwirtschaften von Ertrag und Einkommen vor dem Verteilen von Wohltaten. Daran sollen sie gemessen werden.

 

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer
des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

 

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Wirtschaft fordert Kurswechsel

Am 2. April 2025 veröffentlichten über 100 deutsche Wirtschaftsverbände eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Teilnehmer der laufenden Koalitionsverhandlungen auffordern, wirtschaftliche Belange stärker zu berücksichtigen. Sie äußern Besorgnis über die sich verschärfende wirtschaftliche Lage, gekennzeichnet durch eskalierende Handelskonflikte, steigende Inflation und abnehmendes Wachstum. Besonders alarmierend sei die gestiegene Arbeitslosigkeit, die nun bei drei Millionen liegt.

Die Verbände kritisieren, dass Deutschland im internationalen Vergleich wirtschaftlich zurückfällt und strukturelle Probleme aufweist. Sie bemängeln, dass die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen diesen Herausforderungen nicht gerecht werden. Sie fordern daher tiefgreifende Reformen, insbesondere eine Senkung der Unternehmenssteuerbelastung auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau von maximal 25 Prozent. Zudem plädieren sie für eine Reform der sozialen Sicherungssysteme, um deren Finanzierbarkeit und Generationengerechtigkeit sicherzustellen.

Einen ausführlichen Beitrag finden Sie auf https://www.bauernverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/pressemitteilung/erklaerung-der-deutschen-wirtschaft-zu-den-koalitionsverhandlungen

April-Kommentar im Informationsheft

Werte Verbandsmitglieder, liebe Bäuerinnen und Bauern,

zum Zeitpunkt dieses Kommentars befinden sich die Koalitionsverhandlungen in Berlin in der Zielschleife. Der agrarpolitische Kurs in den kommenden Jahren wird maßgeblich davon bestimmt sein, was in diesen Tagen zwischen Fachpolitikern verhandelt wird. Natürlich äußert sich der Bauernverband zu den unzähligen, für unsere Betriebe relevanten Themen.

Was viele Betriebe besonders beschäftigt, ist die Diskussion um die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf 15 Euro. Wir erkennen die Bedeutung fairer Löhne ganz klar an. Die spezifischen Bedingungen der Landwirtschaft müssen in der Debatte aber berücksichtigt werden. Eine derartige Erhöhung würde die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe weiter
erheblich beeinträchtigen. Insbesondere arbeitsintensive Kulturen wie der Obst- und Gemüseanbau wären betroffen, da die Lohnkosten einen großen Anteil an den Gesamtkosten dieser Betriebe ausmachen. Steigende Löhne könnten dazu führen, dass diese Kulturen nicht mehr rentabel angebaut werden können. Die Konsequenz wäre ein Rückgang der heimischen Produktion und eine verstärkte Verlagerung ins Ausland, wo oft geringere Lohnkosten und weniger strenge Umwelt- und Sozialstandards gelten. Dies würde nicht nur die regionale Wertschöpfung mindern, sondern auch die Versorgungssicherheit mit qualitativ hochwertigen, regional erzeugten Lebensmitteln gefährden. Zudem könnten längere Transportwege und unterschiedliche Produktionsstandards negative Auswirkungen auf Umwelt und Verbraucher haben. Es ist daher unerlässlich, bei der Festlegung des Mindestlohns die besonderen Anforderungen und Bedingungen der landwirtschaftlichen Produktion zu berücksichtigen, um die heimische Landwirtschaft nicht zu benachteiligen.

Ein weiterer entscheidender Punkt ist der Bürokratieabbau. In der vergangenen Legislaturperiode haben sowohl die Bauernverbände als auch die Agrarministerien der Länder zahlreiche Vorschläge für den Bürokratieabbau und strukturelle Verbesserungen erarbeitet. Diese Konzepte liegen bereit und warten auf ihre Umsetzung. Ein entschlossener Abbau bürokratischer Hürden würde unseren Landwirten den Rücken stärken und ihnen ermöglichen, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren. Die zunehmende Bürokratie belastet unsere Betriebe enorm. Jede Reformrunde der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) beginnt mit dem Versprechen des Bürokratieabbaus, endet jedoch oft mit noch mehr Bürokratie. Ein Beispiel hierfür ist die europäische Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten, die nun national umgesetzt werden muss. Obwohl Deutschland nachweislich kein Entwaldungsproblem hat, könnten heimische Erzeuger durch umfangreiche Dokumentationspflichten zusätzlich belastet werden. Es ist unverständlich, warum hier höchstbürokratischer Akkuratesse der Vorrang gegenüber einem pragmatischen Vorgehen gegeben wird. Wir fordern daher eine ernsthafte und wirksame Entbürokratisierungsinitiative auf nationaler und europäischer Ebene, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe zu sichern.

Landwirtinnen und Landwirte wollen nichts geschenkt, sondern faire Bedingungen am gemeinsamen Markt und eine nachvollziehbare Verwaltung. Gemeinsam mit stabilen Energiekosten, die auch Mitmenschen und sämtliche Gewerbe fordern, sind das konkrete Aufgabenfelder für die kommende Bundesregierung.

 

Olaf Feuerborn
Präsident des Bauernverbandes
Sachsen-Anhalt e.V.

 

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März-Kommentar im Informationsheft

Werte Landwirtinnen und Landwirte, werte Mitglieder,

seit dem Januar ist Donald Trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Seitdem vollzieht sich in atemberaubenden Tempo ein unvergleichlicher politischer Kulturwandel. Tagtäglich erreichen uns Nachrichten, die man teilweise auch als Satire auffassen könnte, kämen sie nicht direkt aus dem Weißen Haus. Kritische Pressevertreter werden nach Gusto ausselektiert, mit dem Hinweis, dass sie nicht fair berichten würden. Bundesbehörden werden von Getreuen von Elon Musk faktisch geentert, Beamte in Zehntausenderzahlen entlassen und es wird versucht, sich einen nicht legitimierten Zugriff zu sensiblen Daten zu verschaffen. Als wenn das nicht reicht, so wäre Kanada auch ein guter 51. Bundesstaat der USA, der Golf von Mexiko existiert nicht mehr bei „Google Amerika“, Alaska wäre eine passende strategische Erweiterung wert, aufgrund der Rohstoffe, und der Panamakanal wird ebenso ins Visier genommen. Von dem angestrebten Deal mit Russland, um den Ukrainekrieg zu beenden, ganz zu schweigen. Eine UN-Resolution, getragen von den USA, die Russland als Aggressor nicht mal benennt, will man gar für irreal halten, weil es das bis vor ein paar Wochen nicht in irgendeinem verantwortungsvollen Denkansatz gegeben hätte.

Europa hätte sich schon längst auf dem Weg befinden sollen und müssen, ein stärkeres politisches Gegengewicht zwischen den Blöcken USA, Russland mit seinen Unterstützern und China auf die Waage zu bringen. Die Sprache der Diplomatie hinter den Kulissen ist damit nicht beendet, aber zwischen diesen Politpolen hilft klares, deutliches und geeintes europäisches Auftreten ungemein. Mit diesem haben wir jedoch mehr und mehr Schwierigkeiten, da es mit der europäischen Einigkeit in den letzten Jahren so manches Mal auch nicht mehr weit her ist. Die nationalen Fliehkräfte werden größer, zumal nicht wenige dem eigenen Trumpismus anhängen und glauben, dass sie keine Verbündeten und Partner benötigen.

Das jedoch ist genau der Trugschluss, der von den Gegnern der Demokratie außerhalb der EU ausgenutzt und subtil befeuert wird, um die Bevölkerung auseinanderzutreiben und am besten noch sich gegenseitig anzugehen. Wer will denn noch unterscheiden können, was in Zeiten von KI fake ist und was nicht? Wer permanent über digitale Medien einseitig informiert bis infiltriert wird, sich nicht mit realen Menschen aus anderen Lebenswelten auf Augenhöhe austauscht, dem fällt es nachvollziehbar zusehends schwerer nicht zu glauben, dass an allem Übel der Welt die ungesteuerte Massenmigration schuld ist, dass man nicht mehr seine Meinung sagen kann, dass man gar nicht in einer Demokratie lebt oder aber, dass alles in einem permanenten Krisenmodus ist, der zu entsprechenden politisch begründbaren Krisenbekämpfungsmaßnahmen führen muss. Diese Dauerpolarisierung und Beschallung mit gezieltem Wording und Framing macht uns als Gesamtgesellschaft langfristig schlichtweg kaputt. Wenn wir es nicht mehr schaffen, uns über Parteipräferenzen hinweg einfach mal direkt zuzuhören, sondern im Dauerstreit sind und nur unsere eigene Meinung als legitim ansehen, dann verlieren wir in der Gesamtheit. Viel fehlt nicht mehr.

Mit dem Blick auf das Ergebnis der Bundestagswahl muss man konstatieren, dass es eine Herkulesaufgabe für die kommende Bundesregierung wird, der weiteren Polarisierung Einhalt zu gebieten. Ob dieses gelingen wird, das hängt hoffentlich nicht nur davon ab, wer die meisten Follower auf welchem Social Media-Kanal hat, sondern wie ein akzeptables Politikangebot gestrickt wird, dass durchaus auch mal mit guten Botschaften aufwarten darf und wie dieses kommuniziert wird. Mit in die Verantwortung zu nehmen sind an der Stelle auch die vielfältigen Medienangebote, angefangen mit der Tagespresse. Wo sind die wenigen guten Botschaften, die auch auf Seite 1 stehen und dem Leser das Gefühl geben, das nicht alles immer nur schlecht ist? Wie wollen wir uns denn aus einer Wirtschaftskrise gemeinsam rausarbeiten, wenn es diese wichtigen Headlines nicht gibt, sondern nur destruktive Nachrichten transportiert werden. Es geht wohlgemerkt nicht darum, Lobhudelei gegenüber der Regierung zu üben, sondern eine ausgewogene Berichterstattung hinzubekommen. Die gefühlte Stimmung darf nicht unterschätzt werden in ihrem positiven Wirken auf die Befindlichkeit.

Lassen wir uns nicht von den Apologeten des Untergangs vereinnahmen, die uns zu ihrem eigenen Vorteil beeinflussen wollen. Seien wir kritisch, aber offen gegenüber anderen Menschen und Meinungen, hören wir uns einfach mal zu. Das alleine kann schon kleine Wunder wirken.

 

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer des
Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

 

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DBV fordert zügige Sondierungsgespräche

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, fordert die politischen Akteure dazu auf, nach der Bundestagswahl zügig mit den Sondierungsgesprächen zu beginnen. Er betont, dass die Landwirtinnen und Landwirte eine stabile und vertrauensvolle Regierung erwarten. „Die neue Bundesregierung steht vor der wichtigen Aufgabe, den Menschen in unserem Land wieder Zuversicht zu geben. Dafür braucht es eine deutliche Veränderung in der Art und Weise, wie Politik gestaltet wird: Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus und verlässliche politische Rahmenbedingungen für alle wirtschaftlichen Akteure“, erklärt Rukwied. Darüber hinaus müsse die neue Regierung die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft fördern, indem sie unnötige Regulierungen abbaut und praktikable Lösungen umsetzt. Ebenso seien Perspektiven für junge Unternehmer und für die ländlichen Regionen erforderlich. „Nur so kann unsere Landwirtschaft weiterhin hochwertige Lebensmittel produzieren“, so der DBV-Präsident.

Die Kernforderungen der Landwirtinnen und Landwirte an die Inhalte der zukünftigen Bundesregierung wurden HIER zusammengefasst.

Bundestagswahl 2025: Jetzt informieren und wählen gehen!

Am 23. Februar findet die Bundestagswahl 2025 statt. Jede Stimme zählt – nutzen Sie Ihr Wahlrecht und gestalten Sie die Zukunft aktiv mit! Eine informierte Entscheidung ist entscheidend. Deshalb stehen verschiedene Angebote zur Verfügung, um sich über Programme, Positionen und agrarpolitische Themen der Parteien zu informieren.

Hilfreiche Informationsquellen:

  • Der Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl 2025 Nutzen Sie den Wahl-O-Mat, um herauszufinden, welche Parteien Ihren politischen Vorstellungen am nächsten stehen: Wahl-O-Mat Bundestagswahl 2025
  • Agrarpolitische Wahlsynopse Die "dbk" (Deutsche Bauern Korrespondenz) bietet eine Übersicht zu agrarpolitischen Themen der Parteien. Diese Synopse hilft insbesondere Landwirten und Interessierten, relevante Themen zu vergleichen: Wahlsynopse 2025
  • DBV-Kernanliegen zur Bundestagswahl 2025 Der Deutsche Bauernverband (DBV) formuliert zentrale Anliegen der Landwirtschaft zur Wahl und zeigt auf, welche politischen Weichenstellungen erforderlich sind: DBV-Kernanliegen Bundestagswahl 2025

Nutzen Sie diese Möglichkeiten, um eine fundierte Wahlentscheidung zu treffen! Wählen bedeutet mitgestalten – machen Sie mit!