Juni-Kommentar im Informationsheft des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.

Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,

der Endspurt zur Europawahl ist eingeläutet und es wird spannend sein, zu beobachten, wie die Wahlbeteiligung ausfällt und wie sich im Endergebnis in den nächsten Monaten neue Mehrheiten im Europäischen Parlament sortieren werden. Bei allem Ärger über europäische Politik in den letzten Jahren, beispielsweise über den nicht wirtschaftlich und damit wertschöpfend gedachten Green Deal, so brauchen wir ein funktionables Europa in diesen Zeiten umso mehr. Der Blick auf die geopolitischen Entwicklungen und Verwerfungen muss auch Kritikern und Skeptikern klar machen, dass es ein wirtschaftlich starkes, geeintes und wehrhaftes Europa braucht. Abtrünnige Nationalstaaterei wird nicht zum Erfolg führen. Unbestritten bleibt, dass wir ein besseres Europa brauchen, alles schlecht zu reden hilft unter dem Strich in der Entwicklungsperspektive jedoch nicht. Das es besser und bürgerfreundlicher wird, daran tragen wir alle unsere eigene Verantwortung.
Für die Einordnung der geopolitischen Heraus­forderungen: Die Vereinigten Staaten stehen vor einer Präsidenten­­wahl, die zu einem Revival Trumpscher Politik führen kann und das ist für Europa garantiert keine gute Entwicklung. Im Osten sieht es nicht danach aus, dass Russland als Aggressor irgendwann die Kampf­handlungen einstellen wird. Wie es nach der Ukraine weitergeht, sollte der Krieg nicht beendet werden, so dass es noch eine Ukraine gibt, das ist häufig genug artikuliert worden. Niemand sollte sich sicher fühlen. Und als wäre das nicht genug, so sichert sich China weiteren strategischen und wirtschaftlichen Einfluss auf dem alten Kontinent. Als weiteres wirtschaftliches Schwergewicht kommt in den nächsten Jahren Indien dazu, dass heute schon mit 1,4 Milliarden Menschen das bevölkerungsreichste Land der Erde ist. Man muss lediglich einen wachen Blick haben, um zu wissen, so sich künftig Wirtschaftswachstum abspielen wird. Dort wo was erwirtschaftet und nicht nur verteilt wird.

Vor dem Hintergrund dieser teils bedrohlichen Ent­wicklungen darf man in verantwortlicher Position nicht die Augen vor den Aufgaben verschließen, sich gar zurückziehen und schlimmstenfalls in den Chor der Europaskeptiker mit einstimmen. Es müssen stattdessen zügig die Ärmel hochgekrempelt werden, für die Entwicklung eines gemeinsamen politischen, wirtschaftlichen sowie militärisch sichtbaren europäischem Gegengewichtes.
Die Botschaft ist so einfach wie klar auf der Hand: Wir benötigen zügig Veränderung und Weiter­entwicklung, ein Bekenntnis für Europa, auch wenn es anstrengend und schwierig wird dieses zu erreichen. Die fixe Idee mancher, es bräuchte lediglich ein loses Bündnis an Nationalstaaten, der ist ein Irrglaube. Nicht mal im Kleinen hilft uns Egoismus und Protest auf Dauer weiter. Also lassen sie uns gemeinsam an Europa arbeiten, es besser machen für seine Bürger. Die wichtigste Botschaft dazu ist: Gehen sie informiert wählen, und gehen sie vor allem wählen!

Danach wird man sehen, wohin sich die Europäische Union weiterentwickelt. Das unbeliebte Wort der Transformation wird an dieser Stelle bewusst nicht aktiv gebraucht, da es durch unsachgemäße und inflationäre Nutzung in Misskredit gekommen ist. Bürger werden in einem Prozess mitgenommen, wenn sie Entwicklungen nachvollziehen können, wenn sie beteiligt werden und nicht, wenn Narrative wie Transformation permanent gespielt werden, ohne klar herauszustellen, wo es denn hingehen soll. Wenn bei der Transformation alle mitmachen sollen, die qua Definition die Beschreibung eines Aktes der grundlegenden Veränderung oder Umgestaltung ist, dann müssen auch alle wissen, was damit im Kern gemeint ist und auf was man sich gemeinsam vereinbart. Was ist der Startpunkt, was ist der angestrebte Zielzustand und wollen wir das alle zusammen?

Von elitären Narrativen – wie Transformation des Ernährungs­systems, der Landwirtschaft zu einer zukunfts­festen Land­wirt­schaft, von einer Trans­formation der Wirtschaft zu einer klimaneutralen Wirt­schaft – hat die Mehrheit der Bürger über die Zeit der Ampel­regierung genug gehört und ist dieser politischen Begrifflichkeiten überdrüssig. Zwischen dem Gefühl der realen Inflation im privaten Portemonnaie, dem etappenweisen Ausbau eines absehbar nicht mehr auf Dauer bezahlbaren Wohlfahrtsstaats und grundlegenden wirtschaftlichen Umwälzungen, mit immer mehr bürokratischen Legitimationen, braucht es für die gesamte Gesellschaft eigentlich nur Sicherheit und Verlässlichkeit und vor allem Vertrauen in die Fähigkeiten der Bürger.

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer

Blick ins Heft

Wahlaufruf der ostdeutschen Landesbauernverbände zur Europawahl 2024

Liebe Mitglieder, liebe Landwirtinnen und Landwirte, liebe Mitbürger,

uns bietet sich die Möglichkeit, die Zukunft mitzugestalten. Die Europawahl 2024 steht am 9. Juni bevor und wir wissen um unsere Verantwortung. Als gewählte Vertreter der ostdeutschen Landesbauernverbände möchten wir Sie daher ermutigen, aktiv am demokratischen Prozess teilzunehmen und wählen zu gehen.

„Europa“ mag weit weg erscheinen, aber die gewählten Vertreter im Europa-Parlament haben mit ihren Entscheidungsmöglichkeiten enorme Bedeutung für den ländlichen Raum insgesamt und insbesondere auch für die Zukunft der Landwirtschaft. Die Entscheidungen, die auf europäischer Ebene getroffen werden, haben direkte Auswirkungen auf unsere Betriebe, unsere Arbeitsplätze, unsere Gemeinden und damit unsere künftigen Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen.

Wir und alle Menschen des ländlichen Raumes benötigen in der kommenden Wahlperiode eine starke Vertretung im Europäischen Parlament, die sich für unsere Interessen und für eine nachhaltige Landwirtschaftspolitik einsetzt. Wir brauchen Politikerinnen und Politiker, die die Vielfalt und den Reichtum unserer ländlichen Gebiete schätzen und sich für ihren wirtschaftlichen Erhalt einsetzen. Wir brauchen ein freies und freizügiges Europa.

Daher rufen wir Sie auf, bei der Europawahl 2024 Ihre Stimme abzugeben und Kandidatinnen und Kandidaten zu unterstützen, die sich für eine starke und zukunftsorientierte Landwirtschaft in einem gemeinschaftlichen Europa einsetzen. Über die Standpunkte der antretenden Parteien bieten u.a. der Bauernverband und die Bundeszentrale für politische Bildung (Wahl-O-Mat) Informationen, jeweils ab Anfang Mai. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Europa auch weiterhin ein Ort ist, an dem der ländliche Raum lebenswert ist und die ländliche Wirtschaft Zukunft hat.

Ihre Stimme zählt!

Präsident Olaf Feuerborn,  Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V.

Präsident Karsten Trunk, Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.

Präsident Torsten Krawczyk, Sächsischer Landesbauernverband e.V.

Präsident Henrik Wendorff, Landesbauernverband Brandenburg e.V.

Präsident Dr. Klaus Wagner, Thüringer Bauernverband e.V.

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 09/2023

Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,

in den letzten Monaten umweht uns im ländlichen Raum vielfach der Duft von frisch Gegrilltem. Grillen war und ist sommerliches Kulturgut in Deutschland und im Zuge der Weiterentwicklung hat sich die Produktpalette auf dem Grill, egal wie er betrieben wird, über die Jahre erweitert. Für jede und jeden sollte was dabei sein können, nur darf in den meisten Fällen Fleisch nicht fehlen. Schön wäre es aber schon, wenn es weiterhin überwiegend aus Deutschland käme, nur daran zweifeln immer mehr Praktiker. Sind wir politisch noch gewollt oder macht es nicht viel mehr Sinn, aus der tierischen Produktion auszusteigen, solange der wirtschaftliche Schaden überschaubar ist? Es ist nicht nur der Personalmangel, der frustriert, sondern vor allem die bürokratische Unsicherheit.

In dem Geschacher um die Tierhaltung auf Bundes­ebene erkennen viele keine betriebliche Perspektive für sich. Sie erwarten, dass die Regierungs­parteien in Berlin die dramatischen Zahlen des Bestandsabbaus und Höfesterbens nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern zum Anlass, um dem Rest der professionellen Tierhalter endlich positive Perspektiven aufzuzeigen. Das wäre schon allein aus Respekt gegenüber den in den Startlöchern stehenden Betriebsnachfolgern geboten. Einen erneuten Tiefpunkt erleben wir just nun, da die Borchert-Kommission, das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung, seine Arbeit einstellt. Für Realisten war das seit dem Regierungswechsel in Berlin absehbar. Die einen wollen keine Finanzierung, die anderen keinen Umbau. Umso wichtiger ist es, die gangbaren landesspezifischen Spielräume politisch zu entwickeln und zu nutzen.

Unterlassen, Aussitzen und Nichtagieren, weil Parteiflügel und Koalitionsverträge wichtiger sind, führt aktuell zum für einige gewünschten Ergebnis, das den Staat erstmal nichts kostet. Über Generationen entwickelte, vielfältige Tierhaltung verschwindet in der Breite und der Rest konzentriert sich. In den östlichen Bundesländern bekommen wir auf dem Acker schon heute keine Nährstoffkreisläufe mehr flächendeckend mit Wirtschaftsdünger geschlossen. Allein der Ruf nach weniger Getreide für den Futtertrog muss Fachleuten skurril anmuten. Am Ende einer Ernte, die verstärkt nur noch Futterqualitäten für die Tierhaltung hervorgebracht hat oder energetisch in der Biogasanlage genutzt wurde. In der Summe ist Agrarpolitik nie trivial – den Marktfruchtbetrieben fehlt auf Dauer ebenso der Abnehmer für die Wintergerste in der gewünschten vielfältigen Fruchtfolge, wenn es nicht genügend Tierhaltung gibt.

Um es programmatischer, drastischer auszudrücken: Es braucht aus der Sicht einiger politischer Akteure offenbar eine Disruption in der Landwirtschaft. Würde man sanft transformativ vorgehen, würde das alte System nicht verschwinden und die Ernährungswende (weg vom Fleisch) könnte nicht gelingen. Ob etwas Neues entsteht, wie nach einem Waldbrand, das weiß man nicht. Das ist aber auch egal, weil ländlicher Raum eine zu kleine Wählerklientel darstellt.

Was nicht verstanden wird: Es gibt keine unbegrenzte Leidensfähigkeit von Betriebsleitern und es ist keine Selbst­verständlichkeit mehr, das politische Handeln auf ewig auszuhalten. Dann soll das doch alles aus dem Ausland kommen, wenn die politisch Verantwortlichen das so wollen. So eine vielfach gehörte Äußerung aus dem Berufsstand. Damit steht die Landwirtschaft als Branche derzeit nicht mal allein da.

Das Vorgenannte führt zu der gesellschaftspolitischen Fragestellung: „Welche Landwirtschaft, welche Landwirte, welche Tierhaltung halten wir uns künftig“? Wir sprechen gerne von gewünschten bäuerlichen Strukturen, da fühlt sich die gesellschaftliche Mehrheit medial abgeholt und wohl. Die Tiere sollen aus dem Stall raus, Frischluft haben, Natur ist nie schädlich. Das Wohlbefinden von Nutztieren ist in allgegenwärtigen Klimadebatten politisch schon mehr wert als das von Menschen. Im Humanbereich hingegen erfährt der sozialistische Plattenbau mit Einheitswohnungen ohne persönlichen Auslauf eine politische Renaissance, das Einfamilienhaus mit Garten ist obsolet und klimaschädlich. Kapitalistische Überschussproduktion in der Landwirtschaft soll zurückgeführt werden, die Besinnung auf das national-regionale wird als das Credo ausgeworfen.

Um es deutlich zu artikulieren: Weder ist Export per se schädlich, noch hilft uns eine rein national ausgerichtete Wirtschaftsordnung in Europa! Das ist, egal von welcher politischen Seite es kommt, wirtschaftspolitisches Cocooning ohne Rücksicht auf die Konsequenzen für landwirtschaftliche Betriebe. Heilsversprechen bezahlen keine Rechnungen und bringen keinen monetären Ertrag. Die Realität soll den Wünschen der eigenen Klientel gebeugt werden, auf Gedeih und Verderb. Ungeachtet der Tatsache, dass das nicht funktionieren kann, in einer freien und marktwirtschaftlichen Welt. Das vergleichbare Paradebeispiel ist der Tante-Emma-Laden, der schon lange am real existierenden Verbraucherverhalten geendet ist. Als mündige und selbstbestimmte Konsumenten wissen wir alle um unsere eigene dauerhafte Verhaltensdiskrepanz zwischen Umfragen und Realität. Dass es mit der Tierhaltung in Deutschland nicht so ausgeht, dafür müssen zügig umsetzbare Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der Besuch einer handelsüblichen Currywurstbude, das zuhörende Gespräch mit entpolitisierten Bürgern im ländlichen Raum, könnte bei einer politischen Kurskorrektur und Erdung helfen.

Ihr Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer Bauernverband Sachsen-Anhalt

Blick ins Heft:

49. TOP Kurs der AHA

Die Andreas-Hermes-Akademie (AHA) bietet auch im kommenden Jahr einen TOP Kurs an. Eine der Kernaufgaben der Andreas-Hermes-Akademie ist die Entwicklung junger Menschen und derer Unterstützung, um Verantwortung für sich, ihre Familie und die Gemeinschaft zu übernehmen. Mit dem TOP Kurs 2024 – „Starke Persönlichkeiten für komplexe Agrarwelten“ – besteht die Möglichkeit junge Potenzialträger in der Persönlichkeitsentwicklung zu schulen und für bedeutende Aufgaben des Ehrenamtes vorzubereiten. Das 9-wöchige Intensivtraining im Rahmen des TOP Kurses findet vom 3. Januar bis 7. März unter dem Motto „An den Grenzen wachsen Horizonte“ in Königswinter statt. Der Teilnahmebetrag beläuft sich auf Kosten von 5.490 € und beinhaltet neben den Kursgebühren auch alle Kosten für Unterkünfte und Verpflegung. Zudem ist eine Förderung über die Stiftung der Begabtenförderung der Deutschen Landwirtschaft möglich. In den Anlagen sind ein Flyer der AHA zum 49. TOP Kurs mit den wichtigsten Informationen sowie ein Bewerbungsformular beigefügt. Bei Interesse senden Sie das ausgefüllte Bewerbungsformular bitte bis zum 5. August 2023 unter: hkrause@bauernverband-st.de an den Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V.

49. TOP Kurs 2024 – Flyer
Anlage 4 49. TOP Kurs 2024 – Bewerbungsformular

Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 05/2023

Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,

taucht man in die politische Diskussion ein, so begegnen dem interessierten Bürger immer mehr wachstumskritische Stimmen, die augenscheinlich die mediale Oberhand gewinnen. Wachstum wird als etwas Negatives angesehen, Nullwachstum der Wirtschaft als erstrebenswertes Ziel proklamiert. Paradoxerweise gehören solche Stimmen oft Interessensgruppen, die seit Jahren strukturell, personell und wirtschaftlich wachsen. In einer Zeit, in der bundesweit eine schleichende Deindustrialisierung mit ihren negativen Folgen voranschreitet, sind solche Forderungen ein Anachronismus und Ausdruck einer eingeschränkten Sicht auf Wirtschaft, Kapitalismus und globale Wertschöpfungsketten. Eine funktionierende, wachsende soziale Marktwirtschaft unter Ausnutzung komparativer Kostenvorteile sorgt erst für die Möglichkeiten der intensiven materiellen Umverteilung und damit die Unterstützung derer, die solcher Hilfen bedürfen.

Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn Bürger wirtschaftlich enthaltsam leben wollen. Problematisch ist hingegen eine politische Entwicklung, wenn die gesamte Welt diesem Weg nachfolgen soll. Wäre das ein vorteilhafter Weg für die Mehrheit, dann ginge das über Anreize und Motivation, nicht über mehr Staat, Kontrolle, Ordnungsrecht bis hin zu Denunziationsportalen.
Große Auswirkungen auf unser Zusammenleben in der Gesellschaft hat die Deutungshoheit von Begriffen. Was genau gemeint ist, mit scheinbar allgemein bekannten Begriffen, ist im Detail oft unklar. Eine kleine Auswahl nicht vielfältig ausdeklinierter, verwendeter Begriffe: Klimakrise, Nachhaltigkeit, Gemeinwohlprämie, Transformation, Ernährungswende, Moorschutz, Degrowth, Mobilitäts­wende, Agrarwende, Stilllegungsflächen als Bio­diversitätsflächen, Bürgerräte, zukunftsfeste Landwirtschaft, öko-soziale Marktwirtschaft und zum guten Abschluss Wärmewende.

Wir begeben uns auf einen Pfad der politischen Einseitigkeit, wenn wir nicht öffentlich und sauber klären, was mit welchem Begriff gemeint ist und welcher Partner was wie deutet. Unreflektiert Begriffe in den politischen Sprachgebrauch zu übernehmen, die irgendwann Allgemeingut werden, wird uns kurzfristig auf die Füße fallen. Da mögen sie noch so charmant und mit Wohlfühlcharakter daherkommen, die dahinterliegende gewünschte Politikausrichtung ist entscheidend.

Nicht wenige Bürger haben die Wahrnehmung, dass es mit der guten alten liberalen Zeit vorbei geht und wir nun auch in sehr schwierigen wirtschaftlichen Fahrwassern ankommen. Notwendig wäre das Aufbauen eines Sicherheitsgefühls, das durch verantwortungsvolle Politik zu organisieren ist. Stattdessen gewinnen Parteiprogramme die Oberhand, und Bürger werden immer mehr verunsichert durch beinahe täglich neue Ideen. Sie nehmen wahr, dass ihre eigene wirtschaftliche Zukunft auf dem Spiel stehen kann, weil politische Projekte auf der Grundlage von Partei­programmen ab­ge­­arbeitet werden – auf Gedeih und Verderb.

Lesen bildet, möchte man zurufen. Nur wer interessiert sich schon für das, was Parteitage inhaltlich beschlossen haben? Vielen ist nicht mehr transparent, aus welchen Gründen diese oder jene Inhalte in Parteiprogramme aufgenommen werden. Es bleibt somit oft bei politischen Erklärungen, die für den Polit-Laien nicht nachvollziehbar sind. Dazu tragen maßgeblich die bereits genannten, unklaren Begriffe bei. Bürger mit wahrer Wendeerfahrung fühlen sich gegenwärtig an die finale Phase der DDR erinnert, und das ist eine gefährliche Erkenntnis. In der Folge wenden sich Bürger von der Politik ab, schlimmstenfalls radikalisieren sie sich. Wobei sogar das ein zu definierender Begriff ist.

Wenn von Klimaklebern Straßen blockiert werden, wird dies medial mehrheitlich goutiert, das plakative Anliegen ist schließlich eine Verkehrswende, eine „nachhaltige Transformation“. Wie diese funktionieren und von allen Bürgen akzeptiert – geschweige denn finanziert – werden soll, bleibt unklar. Ebenso verhält es sich mit den meisten Forderungen an die Landwirtschaft. Eine Agrarwende lässt sich leicht fordern, wenn man fachliche Machbarkeiten und wirtschaftliche Zwänge unter den Worthülsen „zukunftsfest“ und „öko-sozial“ vermeintlich erledigt.

Wir müssen uns als landwirtschaftlicher Sektor mehr mit politischem Sprachgebrauch und Schlagworten befassen, auch wenn sie im Tagesgeschäft auf den Betrieben scheinbar kaum relevant sind. Ignorieren und abtun, als seltsame Ideen oder Wortkreationen anderer gesellschaftlicher Gruppen, gelingt nicht. Es lohnt sich, die eigene Blase zu verlassen und über Visionen und Worte zu streiten, denn die Auswirkungen sind sehr real.

Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer

Blick ins Heft:

Jubiläum der Fachschule in Haldensleben

Vor kurzem feierte die Fachschule, die an die Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau angegliedert ist, ein besonderes Jubiläum: 30 Jahre Internationaler Jugendaustausch mit dem Schweizer „Strickhof“, einem großen Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Ausbildung im Kanton Zürich. Aus diesem Anlass feierte man ein großes Fest mit 150 Gästen. Seit 1993 fahren Schüler und Lehrer alljährlich von der Schweiz nach Haldensleben und umgekehrt um landwirtschaftliche Lehre und Praxis kennenzulernen. Einmal im Jahr kommen zwei Gruppen zu je 40 Agrarschülern vom Strickhof hierher und genauso fahren deutsche Fachschüler in die Schweiz mit ihrer viel kleinteiligeren Landwirtschaft. Aus diesen zwei sehr unterschiedlichen Agrarstrukturen können die Betrachter viele Anregungen mitnehmen.

Generationen von Landwirten absolvierten bereits an der Fachschule für Landwirtschaft in Haldensleben (früher Landwirtschaftsschule oder Agraringenieurschule) ihre Ausbildung und leiten oder leiteten landwirtschaftliche Betriebe in der Region oder wo sie das Leben hintrug.

Aus ganz Sachsen-Anhalt und der Umgebung kamen und kommen immer noch vorrangig Landwirte, Tierwirte oder Fachkräfte für Agrarservice, um hier ihre Fortbildung zum staatlich geprüften Wirtschafter oder zum Agrarbetriebswirt, jeweils auch mit dem Schwerpunkt Ökologischer Landbau, zu absolvieren. Voll- oder Teilzeit, mit oder ohne Wohnheimunterbringung, alles ist möglich, auch die Prüfungsvorbereitung zum Landwirtschaftsmeister. Im Lehrgang zum Agrarbetriebswirt kann man zudem die Ausbildereignungsprüfung ablegen. Die Klassenstärke liegt bei durchschnittlich 15 Schülern. Gute Bedingungen also, um im Herzen der Bördestadt Haldensleben, in historischen Mauern am Marienkirchplatz, in der Außenstelle in der Bornschen Straße eine Fortbildung in Präsenz oder auch online zu absolvieren. Alle Qualifizierungen befähigen am Ende die Fachschüler einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen.

Die Leiterin der Fachschule, Andrea Fritzsche, und ihre Vertreterin, Anne Neuschrank, sind zwei der zehn Lehrer des Institutes. Außer ihnen arbeiten noch drei Angestellte in der Verwaltung. Andrea Fritzsche, Agrarpädagogin mit Referendariat, die die Schule seit 2019 leitet, ist froh über die kleinen Klassen, weil man hier „auf Augenhöhe unterrichtet“, wie sie sagt. „Die Schüler sind von 20 bis 50 Jahre alt und die Fragestellungen, die sie einbringen sind praxisbezogen. Schüler und Lehrer sind gleichermaßen im Agrarbereich verwurzelt.“ Die Chefin, selbst Lehrerin für Tierproduktion und Deutsch, ist auch froh, dass es nun wieder viel mehr Unterricht in Präsenz gibt, denn die kognitiven Fähigkeiten würden im Präsenzunterricht viel mehr unterstützt als beim digitalen Lernen.

Neuer Lehrgang startet im September

Anne Neuschrank ist an der Landwirtschaftsschule zwar Seiteneinsteigerin mit Referendariat aber im Ackerbaubetrieb der Familie verwurzelt. Sie hat Agrarwissenschaften studiert und ist seit 2017 Lehrer für Betriebswirtschaft. Die junge Lehrerin erklärt den neuen Lehrgang zur Qualifizierung von Nebenerwerbslandwirten, den die Fachschule vom 1. September 2023 bis zum 1.Mai 2024 anbieten wird. Diese Ausbildung ist noch in der Genehmigungsphase: In den neuen EU-Regelungen zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) stellt die „ergänzende Einkommensstützung für Junglandwirte“ einen beachtlichen Geldwert dar, der über die nächsten fünf Jahre gezahlt wird. Dafür muss der Junglandwirt bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Eine gute Möglichkeit bietet dafür der 300-Stunden-Lehrgang, den die Fachschule für Landwirtschaft Haldensleben ab September anbietet. Anmeldungen für den Lehrgang sind bis zum 30. Juni 2023 an der Fachschule möglich.

Links:

Internetseite der Fachschule Haldensleben

Verein der landwirtschaftlichen Fachschule

Strickhof in der Schweiz

Text und Bilder von Barbara Ilse (Bauernverband Börde)

Medientraining

„Meine Position erfolgreich auf den Punkt bringen“

Der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. bietet vom 31. März bis zum 1. April diesen Jahres ein Medien-Training mit der Andreas-Hermes-Akademie an. Das Medien-Training „Meine Position erfolgreich auf den Punkt bringen“ dient zur sicheren Kommunikation landwirtschaftlicher Themen, wobei Methoden sowie Tipps und Tricks zur besseren Platzierung der Botschaft erarbeitet werden. Zudem werden Situationen erprobt, um sich von kritischen Fragen oder verbalen Angriffen nicht aus der Ruhe bringen zu lassen.

Wenn Sie Fragen haben, wenden Sie sich gerne an unsere Bildungsreferentin Henriette Krause. Kontaktdaten finden Sie unter „Mitarbeiter“.