Werte Mitglieder,
werte Landwirtinnen und Landwirte,

Koalitionsverträge sind für den normalen Bürger im Regelfall nicht alltäglicher Lesestoff. Dennoch sind sie wichtig, denn sie sind die Grundlage für das Regierungshandeln. Nicht immer werden alle vereinbarten Projekte umgesetzt, das wäre auch des Guten zu viel. Manches scheitert an äußeren Umständen, an Personen oder schlicht an Parteipositionen, die sich von Wahl zu Wahl verändern können. Ob zudem ein Mehr an neuen Gesetzen ein abrechenbarer Qualifikationsausweis einer in der Rückschau hoffentlich gut gelaufenen Regierungsarbeit ist, das sei Ihnen in der Bewertung überlassen.

Im Koalitionsvertrag unserer Landesregierung ist im Kapitel „Landwirtschaft als Motor unseres ländlichen Raums“ im Unterkapitel „Agrarstruktur und Eigentum“ die folgende Passage vereinbart worden: „Die Agrarstruktur ist von zentralem Rang für die Existenz, die Bewirtschaftung und den Fortbestand landwirtschaftlicher Betriebe. Wir wollen stabile land- und forstwirtschaftliche Strukturen, transparente Eigentumsverhältnisse und eine ausgewogene Verteilung von Eigentum. Der Boden ist für landwirtschaftliche Betriebe existenzielle Basis und Hauptproduktionsmittel. In der 8. Legislaturperiode wird die Diskussion über ein Agrarstrukturgesetz des Landes erneut aufgenommen und zum Ende geführt. Unter Einbeziehung der Fachverbände und im offenen Dialog mit den Betroffenen ist es unser Anliegen, die Transparenz auf den Bodenmärkten zu erhöhen und Spekulationen entgegenzuwirken.“

Nach jüngsten Aussagen des MWL im Rahmen der Präsidiumssitzung in Halberstadt scheint es so, dass wir demnächst einen neuen Entwurf für ein Agrarstrukturgesetz auf den Tisch bekommen. In der Vergangenheit sind bereits zwei Anläufe gescheitert. Und sind wir doch realistisch: In Thüringen gibt es einen Kabinettsbeschluss, in Sachsen und Brandenburg sind die Entwürfe für Agrarstrukturgesetze inklusive betrieblicher Obergrenzen seit etlichen Wochen bekannt. Zu glauben, dass sich Sachsen-Anhalt davon nicht beeinflussen lässt, und dies vor dem Hintergrund der gemeinsamen Vereinbarungen der Koalitionäre, wäre eine kaum realistische Annahme. Eine weiterhin treibende Kraft sind Teile der Opposition.

An dieser Stelle wurde schon öfters ausgeführt zu dem Themenkomplex Agrarstrukturgesetz, zuletzt ausführlich im Infoheft 12/2020. Wiederholend muss man anführen, dass es kein allgemein anerkanntes agrarstrukturelles Leitbild in Sachsen-Anhalt gibt, das als Begründung und Grundlage für ein Agrarstrukturgesetz herhalten könnte. Mit mehreren relevanten Verbänden sind wir als Bauernverband aus dem damaligen Leitbildprozess ausgestiegen, wenngleich das parallel entstandene tendenziöse Residualleitbild „Landwirtschaft 2030“ weiterhin auf der Homepage des MWL öffentlich nachlesbar ist.

Wenn wir uns mal den Fakten widmen, so ist laut Landwirtschaftszählung der Eigentumsanteil der Betriebe von durch­schnittlichen 22,1 % im Jahr 2010 auf 28,1 % im Jahr 2020 gestiegen. Dieser Zu­wachs ist erstens erfreulich, zeigt er doch auf, dass sich die Betriebe stabiler aufstellen konnten. Eigentum schafft Sicherheit. Im selben Atem­zug ist der Pachtanteil gesunken, eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden kann daraus aber nicht abgeleitet werden.

Dem hehren Anspruch, mehr Transparenz bei Eigentumsverhältnissen auf dem Bodenmarkt zu schaffen, kann nicht widersprochen werden. Herauskommen wird, dass es beileibe nicht nur landwirtschaftliche Fläche verpachtende Privatpersonen aus den alten Ländern gibt, sondern auch institutionelle Anleger aus dem Bankenbereich, sich mit landwirtschaftlichen Flächen versorgende Umweltorganisationen und etliche Beteiligte, die mehr und mehr Boden in Sachsen-Anhalt ihr Eigen nennen. Auch landwirtschaftliche Unternehmer, die in den neuen Ländern einen Zweitbetrieb haben und sich sonst kaum vor Ort einbringen oder sehen lassen – das mag es alles geben, die rechtliche Struktur ist hierbei zuvorderst nebensächlich. Die Gesamtsituation ist komplex genug.

Man sollte glauben, die Herstellung von Transparenz ist eigentlich recht trivial. Wenn sie nicht einem anderen Ziel als der Transparenz selbst dienen soll, dann wäre nichts einzuwenden. Ob alle politischen Akteure aber mit offenen Karten spielen, das darf bezweifelt werden. Kurzum: Nach der Grundsteuerreform des letzten Jahres dürfte Transparenz an sich ein verwaltungstechnisch einfaches Unterfangen sein. Alle Steuerbürger haben sich befleißigt, für Transparenz und Klarheit in den Eigentumsverhältnissen zu sorgen, die der Staat mit seiner umfangreichen Verwaltung selbst nicht organisieren konnte.

Ein nicht unwichtiger Nebenaspekt ist die Frage nach dem Bild des Landwirtschaftsbetriebs der Zukunft in Sachsen-Anhalt. Er wird sich verändern, er wird sich entwickeln müssen, wenn er Chancen haben will. Der in der Vergangenheit klassische Familienbetrieb der alten Länder wird dem nicht mehr gerecht, so sehr man das auch politisch möchte und diesem Bild nachhängt. Die Zukunft lässt sich so nicht gestalten, dafür bräuchte es mindestens eine andere Agrarpolitik im BMEL und im Bundesrat.

Ihr Marcus Rothbart
Hauptgeschäftsführer Bauernverband Sachsen-Anhalt

Blick ins Heft: