Juni-Kommentar im Informationsheft
Werte Verbandsmitglieder,
liebe Bäuerinnen und Bauern,
die gesellschaftliche Diskussion über Landwirtschaft findet seit Jahren mit hoher Intensität statt. Dabei wird vielfach über Landwirtschaft gesprochen, wenn auch nicht immer mit ihr.
Umso bedeutender ist es, dass es innerhalb unseres Berufsstandes zahlreiche Initiativen gibt, die den direkten Austausch mit anderen gesellschaftlichen Gruppen ermöglichen. Hoffeste, Schülerbesuche und Schulgärten, Projektwochen und Vorträge auf öffentlichen Veranstaltungen schaffen Kontaktpunkte zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft. In Sachsen-Anhalt nehmen jährlich mehrere tausend Schülerinnen und Schüler an Betriebsbesichtigungen teil. Gleichzeitig öffnen viele Betriebe ihre Höfe für interessierte Gäste.
Diese Formate tragen dazu bei, komplexe Produktionsprozesse transparent zu machen und Vorurteile abzubauen. Der Bauernverband unterstützt diese Aktivitäten, weil sie für eine sachgerechte, persönliche Meinungsbildung sehr wichtig sind. Das Interesse an der Herkunft von Lebensmitteln und an Fragen des Tierwohls, des Pflanzenschutzes oder der Umweltwirkungen landwirtschaftlicher Praxis ist groß. In vielen Fällen fehlen jedoch grundlegende Kenntnisse über die Produktionsbedingungen. Die mediale Darstellung ist dabei häufig verkürzt oder einseitig. Persönliche Begegnungen und fachlich fundierte Informationen ermöglichen eine differenzierte Auseinandersetzung. Sie bieten zudem die Möglichkeit, Fragen unmittelbar auf betrieblicher Ebene zu beantworten und Zusammenhänge einzuordnen.
Für die Branche insgesamt ist dieser Austausch ein strategischer Faktor. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft wirkt sich mittelbar auf politische Entscheidungen, Förderinstrumente und ordnungsrechtliche Vorgaben aus. Fehlt das Verständnis für betriebliche Abläufe und ökonomische Zwänge, steigt das Risiko, dass Regelungen an der Praxis vorbeigehen. Dies zeigt sich unter anderem in Debatten zu Flächenstilllegung, Düngeverordnung oder zur Ausgestaltung von Tierhaltungsstandards. Daher ist es notwendig, dass der Beruf auch außerhalb fachpolitischer Formate präsent bleibt.
Die Bereitschaft zum Dialog ist in weiten Teilen des Berufsstandes vorhanden. Was fehlt, sind oftmals die strukturellen und personellen Voraussetzungen, um diesen Dialog systematisch auszubauen. Bildungsangebote, Dialogplattformen und Unterstützungsformate für Öffentlichkeitsarbeit müssen auf Landes- und Bundesebene verstetigt und ausgebaut werden. Eine wirksame Verbraucherbildung beginnt nicht erst im Supermarkt, sondern muss bereits in der Schule und im direkten Kontakt mit der Praxis erfolgen. Der Bauernverband bringt sich dazu in verschiedenen landesweiten Programmen aktiv ein und wird diese Arbeit weiterführen.
Der Erfolg dieser Arbeit lässt sich mit Zahlen belegen. Im Jahr 2024 haben in Sachsen-Anhalt 490 junge Menschen eine Ausbildung in einem der Grünen Berufe begonnen. Die Zahl der Auszubildenden liegt deutlich über dem recht konstanten Niveau der Vorjahre und zeigt ein wachsendes Interesse. Damit Kinder und Jugendliche sich für die Landwirtschaft begeistern, brauchen sie Kontakt zur Branche und den Betrieben. Wo das nicht über die Familie stattfindet, kann das meist nur über Hoftage oder ähnliche Aktionen passieren. Aber diese jungen Menschen werden vielleicht einmal Auszubildende und Mitarbeiter. Oder sie gehen einen anderen Weg, haben aber trotzdem einen echten und ehrlichen Bezug zur Landwirtschaft.
Eine offene Landwirtschaft lebt vom Gespräch mit der Gesellschaft. Sie lebt auch davon, dass sie sich erklärt, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Für den Berufsstand bedeutet das eine zusätzliche Herausforderung. Zugleich liegt darin eine Chance, die eigene Arbeit verständlicher zu machen – auch mit Blick auf zukünftige Generationen.
Olaf Feuerborn
Präsident des
Bauernverbandes Sachsen-Anhalt e.V.
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