Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 10/2022

Liebe Berufskolleginnen und -kollegen,

ein agrarpolitisch ereignisreicher September liegt hinter uns. Allem voran die Agrarministerkonferenz (AMK) in Quedlinburg hat uns beschäftigt, denn unter den insgesamt 40 Themen waren viele gewichtige Punkte. Auf Bundes- und Landesebene gab es Veranstaltungen zum Konflikt zwischen Weidetieren und dem Wolf, der sich weiter ausbreitet. In den Medien hat das Thema vor allem dadurch Aufwind bekommen, dass Anfang September das Pony von Ursula von der Leyen von einem Wolf gerissen wurde.

Es gab noch ein weiteres Thema, das viele von uns beschäftigt hat, nämlich die geplante „Sustainable Use Regulation“ der EU, kurz SUR. Das Ziel dieser Verordnung ist, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der EU bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Seit dem Beginn der politischen Diskussion um die SUR hat sich der Bauernverband auf allen Ebenen dazu eingebracht, mit einem klaren Standpunkt: Wenn die SUR umgesetzt werden sollte, wird die Produktivität unserer Landwirtschaft bis zum Verbraucher hin spürbar verringert, die betriebliche Struktur vieler Landwirte wird einbrechen und große Werte im ländlichen Raum werden vernichtet.

Auf unserer Webseite finden Sie eine umfassende Stellungnahme des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt dazu. Diese enthält unter anderem einen Verweis auf das niederländische Modell, welches bei uns in Sachsen-Anhalt in der Börde erprobt wird. In diesem Modell werden Maßnahmen erarbeitet und umgesetzt, die gezielt die Biodiversität stärken, ohne durch pauschale Verbote wahllos in die Arbeit der Landwirtinnen und Landwirte einzugreifen. Es geht bei diesem Ansatz um ein Miteinander von Ökologie und Ökonomie.

Dieses Miteinander kann gelingen, auch im großen Maßstab – wenn uns nicht bei jeder Arbeit eine Schädigung unserer Umwelt unterstellt wird. Deswegen war eine der Forderungen zur Agrarministerkonferenz, die wir mit den Berufskollegen von Bauernbund und LsV, den Waldbesitzern und weiteren Organisationen bei der AMK gestellt haben: Es braucht eine Vertrauenskultur gegenüber Land- und Forstwirten. Diese ist der Politik in weiten Teilen vollkommen abhandengekommen, was besonders daran zu erkennen ist, wie sich manche Politikerinnen und Politiker den zukünftigen bürokratischen Aufwand beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorstellen.

Natürlich ging es bei der Agrarministerkonferenz um mehr Themen als den Pflanzenschutz. Steigende Energiepreise setzen unsere Betriebe unter Druck, insbesondere die Tierhalter, die zeitgleich mit Marktverwerfungen, Fachkräftemangel und nach wie vor Corona und den daraus resultierenden Ausfällen von Mitarbeitern oder Kollegen zu kämpfen haben. Dennoch will die Bundesregierung die Tierhaltung in Deutschland umbauen. Das BMEL will den Umbau forcieren, obwohl viele fundamentale Aspekte nicht geklärt sind, unter anderem die Finanzierung.

Die vor Jahren maßgeblich dafür initiierte Borchert-Kommission hat im September vom Bundes­land­wirtschafts­minister Özdemir ein neues Mandat erhalten. Dieses hat sie angenommen, um postwendend zu verkünden, dass ihre Arbeit pausieren wird. Die Kommission erklärte, die Arbeit so lange ruhen zu lassen, bis die Bundesregierung eine Lösung dafür gefunden hat, wie sie den Umbau der Nutztierhaltung finanzieren will. Der politisch angestrebte Umbau wird der Kommission zufolge mehrere Milliarden Euro im Jahr kosten. Das Bundeslandwirtschaftsministerium will die Pläne mit insgesamt einer Milliarde Euro in den kommenden vier Jahren unterstützen. Es braucht nicht viel Fantasie, um zu erraten, wer die Mehrkosten am Ende tragen soll.

Neben der Finanzierung ist unklar, ob ein heute gebauter Stall in wenigen Jahren den sich politisch ändernden Standards noch entspricht. Es kann nicht erwartet werden, dass Ställe, die einen Amortisierungszeitraum von 15 oder 20 Jahren bräuchten, ohne politische Sicherheit gebaut werden – wenn sie denn genehmigt würden, woran es bekanntlich auch massiv hakt. Die Bundesregierung schafft es trotz großer Worte nicht, eine Zukunftsperspektive für die landwirtschaftlichen Betriebe aufzuzeigen. Das liegt insbesondere daran, dass an pauschalen Vorhaben wie dem 30-Prozent-Ziel im Ökobereich festgehalten wird. Das liegt aber auch daran, dass sie nicht schafft, eine transparente Kommunikation in der Branche aufzubauen.

Dazu würde zum Beispiel gehören, dass ehrlich benannt wird, wie viel der politische Umbau der Tierhaltung in Deutschland kosten soll – und wie viel davon die Landwirtinnen und Landwirte aufgebürdet bekommen, trotz der rasanten Kostensteigerungen. Unsere Betriebe mit mehreren Milliarden Euro Mehrkosten zu belasten, ohne politische Planungs­sicherheit, das kann nicht mitgetragen werden. Wenn der Bundeslandwirtschaftsminister sich dann im Rahmen der AMK als „Freund der Bauern“ präsentieren will, darf es diesen nicht wundern, wenn er keinen Applaus erhält.

Wir erwarten von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu einer zukunftssicheren, produktiven Landwirtschaft in Deutschland und damit der vielfältigen Absicherung von Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln. Das wird nicht mit Verboten erreicht.

Ihr Olaf Feuerborn

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