Kommentar der Verbandsspitze im Informationsheft 08/2020

Monatlich veröffentlicht der Bauernverband Sachsen-Anhalt e.V. im verbandseigenen Informationsheft einen Kommentar zu aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen. Mitglieder können das Heft im Mitgliederbereich lesen und erhalten es als Printversion. Nichtmitglieder finden hier die Möglichkeit eines Abonnements und einen Einblick in die Themen der letzten Ausgaben.

 

Kommentar

Werte Verbandsmitglieder, liebe Kolleginnen und Kollegen,
ein Thema, das uns in Sachsen-Anhalt jedes Jahr von neuem beschäftigt, ist die Problematik der Feldmäuse. Wir sehen an der Populationsentwicklung, dass die aktuell zugestandenen Möglichkeiten nicht für eine wirksame Bekämpfung ausreichen. Durch Bestandskontrollen vor der Ernte und während des Erntebeginns wurde deutlich, dass besonders im Süden von Sachsen-Anhalt, in Teilen von Anhalt und in der Börde eine Massengradation von Feldmäusen eingetreten ist. Die Situation entspricht den Jahren 2012 und 2015, in denen durch Feldmausplagen die Ernten großflächig vernichtet wurden. Das wird nicht nur von uns Praktikern berichtet, dies bestätigen auch die Erhebungen des amtlichen Pflanzenschutzdienstes, die aktuell von einer Befallsfläche von ca. 50.000 ha ausgehen.
Eine Bekämpfung von Feldmäusen durch intensivere Bodenbearbeitung, Feldhygiene an den Ackerrändern und die Sitzhilfen für Greifvögel wird allein nicht ausreichen, die Massengradation zu stoppen. Zu Recht befürchten die betroffenen Landwirte starken Befall in den auflaufenden Kulturen durch Feldmausfraß und entsprechende Schäden in den jungen Pflanzenbeständen.
Aus diesem Grund habe ich mich in einem Schreiben an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner gewandt sowie an Friedel Cramer, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Um den betroffenen Landwirten die Möglichkeit zum Schutz der Herbstsaaten zu geben, fordern wir entsprechende Änderungen der Anwendungsbestimmungen, damit ab September auch in Gebieten mit einem potenziellen Feldhamstervorkommen die faktisch vorhandenen Feldmäuse verdeckt mit Rodentiziden bekämpft werden können. Das BVL und auch das Julius-Kühn-Institut hatten in der Vergangenheit bestätigt, dass keine negativen Vorkommnisse auf Feldhamster bei sachgerechter und verdeckter Ausbringung von Rodentiziden aufgezeigt werden können. Im vergangenen Jahr konnten wir nach intensiver Beratung mit dem BVL erreichen, dass zumindest von 1. November bis 1. März auf Flächen mit potenziellen Feldhamstervorkommen die verdeckte Bekämpfung möglich ist. Darüber hinaus fordern wir für die Auflagen für Vogelzug-, Rast- und Nistplätze klare Benennungen der Vogelarten (Gänsevögel und Kraniche).
Eine zeitnahe Entscheidung durch die Zulassungsbehörden ist erforderlich, damit wir Landwirte vor der Herbstaussaat Informationen zu den Behandlungsmöglichkeiten bekommen. Eine fehlende Möglichkeit der Feldmausbekämpfung hat auch Einfluss auf die Anbauentscheidung, da das Anbaurisiko steigt. Der Winterraps ist eine wichtige Kultur in der Fruchtfolge der meisten Betriebe, kann jedoch der fehlenden, praxisgerechten Feldmausbekämpfung zum Opfer fallen. In den vergangenen Jahren hatte bereits das Verbot verschiedener Beizmittel zu einem starken Rückgang der Anbaufläche von Winterraps geführt. Keinem kann daran gelegen sein, diese Entwicklung weiter zu begünstigen. Ab Mitte August beginnen wir mit der Aussaat der Herbstkulturen für das Erntejahr 2021. Bis dahin brauchen wir eine Lösung und bis wir Lösungen haben, werden wir dieses Thema weiter bearbeiten müssen.
Das machen wir bei allen Themen, auch abseits der Feldmäuse, und mir ist bewusst, dass viel von der Arbeit, die Ehrenamt und Hauptamt hier leisten, nicht immer von allen Landwirten gesehen wird. Ich meine aber, dass wir da durchaus Vertrauen in unsere Bauernverbände haben dürfen, von der Kreis- bis hin zur europäischen Ebene.
Es hat sich schließlich immer wieder gezeigt, dass wir als Verband auch dicken Bretter bohren können. Das benötigt viel Zeit und Sacharbeit, die nun mal von außen nicht immer sichtbar ist. Leider werden immer wieder aus berufsständischer Sicht nicht-praxistaugliche oder gänzlich unsinnige Verordnungen oder Gesetze beschlossen. Es gehört auch dazu zu sagen, dass wir das nicht verhindern können. Was wir aber können, ist mit Beharrlichkeit immer wieder daran zu arbeiten, dass das Ergebnis am Ende mit einer modernen Landwirtschaft vereinbar ist.
Und wie wichtig für uns und unseren Berufsstand genau dieses langfristige Verfolgen von Zielen ist, sehen wir, wenn wir nach Brüssel schauen. Der Ende Juli festgelegte Mehrjährige Finanzrahmen ist aus unserer Sicht sicher nicht perfekt. Kritisch bleibt unter anderem die Tatsache, dass Mitgliedsstaaten unabhängig voneinander Sonderwege gehen können, die zu innereuropäischen Verzerrungen führen. Aber: Dass das eingeplante Budget für den Haushaltstitel „Natürliche Ressourcen und Umwelt“, wozu auch die Gemeinsame Agrarpolitik zählt, trotz Brexit und Corona gegenüber dem Kommissionsvorschlag aus dem Mai 2020 praktisch unverändert geblieben ist, ist kein „Wunder“ oder ein Zufall. Seit Monaten hat die berufsständische Vertretung, haben die europäischen Bauernverbände, immer wieder Argumente und Fakten dafür gebracht.
Für die weitere Ausgestaltung der GAP wird es darauf ankommen, wirtschaftlich vernünftige Lösungen im Sinne der Betriebe zu finden, die umsetzbar sind und weiterhin eine produktive Landwirtschaft ermöglichen. Auch dabei werden wir die Entscheidungen begleiten und uns einbringen.
Ihr
Olaf Feuerborn

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